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Die unglaubliche Geschichte von Jolanda Spiess-Hegglin

Spätestens JETZT lohnt es sich, dieses wunderbare Buch zu lesen. Ich habe es verschlungen. Es ist packend geschrieben und äusserst informativ. Und es zeigt, wie wichtig das aktuelle Urteil zur Gewinnherausgabe an «Medienopfer» ist, wenn grosse Medienkonzerne auf ihre Kosten Gewinne erzielen.

Um was geht es bei diesem Urteil?

Ausgangslage:
Gewinne, die mit persönlichkeitsverletzenden Artikeln erzielt werden, gehören den «Medienopfern», so das Urteil des Bundesgerichts 2006 im Fall des Vaters der Tennisspielerin Patty Schnyder. Es ging um zwei persönlichkeitsverletzende Artikel von Ringier. Doch wie lässt sich dieser Gewinn konkret berechnen? Das blieb bisher unklar.

Schritt 1: Persönlichkeitsverletzende Artikel
Das Zuger Kantonsgericht hat bereits in einem früheren Urteil (2022) im Fall Spiess-Hegglin bestätigt, dass vier Artikel von Ringier persönlichkeitsverletzend waren. Diese Artikel haben nichts mit Journalismus zu tun.

Schritt 2: Höhe der Gewinnherausgabe
Beim aktuellen Gerichtsurteil des Zuger Kantonsgerichts ging es um die Frage, wie viel Gewinn (Online und Print) mit diesen vier persönlichkeitsverletzenden Artikeln konkret erzielt wurde.

Das Zuger Kantonsgericht geht in seinem Urteil von einem Gewinn von rund CHF 300’000 aus, der Jolanda Spiess zusteht, weil ihn Ringier auf ihre Kosten erzielt hat. Diese Schätzung basiert auf einem Gutachten, das absolute Medienprofis wie hansi voigt (u.a. ex Watson, ex 20 Minuten) erstellt haben. Einbezogen wurden auch Geschäftszahlen, die Ringier auf richterliche Anordnung herausgeben musste.

Was für ein Meilenstein!
Denn von der nun vorliegenden «Formel für die Entschädigung von Medienopfern» von Jolanda können zukünftige Medienopfer profitieren, wenn mit persönlichkeitsverletzenden Artikeln Gewinne erwirtschaftet werden. Was bleibt ist ein aufwändiger Gerichtsprozess für die Betroffenen und oft ist es «David gegen Goliat».

Tief blicken lässt die Kritik des Richters am grossen Medienkonzern Ringier: «Dem beklagten Unternehmen wäre es freilich offen gestanden (bzw. es wäre gar geboten gewesen), der Gewichtung der Klägerin eine eigene Gewichtung gegenüberzustellen; dies hat es jedoch unterlassen.»

Ringier wird das Urteil offenbar anfechten.

Reminder: Insgesamt hat der grosse Medienkonzern Ringier unglaubliche 150 Artikel (!) zu einem vermeintlich relevanten Thema verfasst. Die Annahmen, dass sich dies wirtschaftlich gelohnt hat, finde ich sehr plausibel.

Wer mehr wissen möchte:

Blogpost von Anwalt Martin Steiger inklusive Urteil: Kantonsgericht Zug verpflichtet Ringier zur Gewinnherausgabe an Jolanda Spiess

Website von Jolanda Spiess-Hegglin zum Buch, zur Gewinnherausgabe Blick und mehr