Der Think Tank für Digitale Ethik

Ein aktuelles Beispiel für «Tech-Solutionismus»

Die Idee in Birmensdorf, Kinder über Bluetooth-Armbänder zu überwachen, löst eine wichtige Debatte aus. Kennt ihr den Begriff «Tech-Solutionismus»? Damit ist die Annahme gemeint, dass sich jedes Problem mithilfe von Technologien lösen lässt. Doch diese Annahme ist falsch, ja gefährlich, denn sie führt dazu, dass wir Technologien am falschen Ort einsetzen.

Ziel war es in einem Hort in Birmensdorf, die Betreuungssicherheit und die Auffindbarkeit der Kinder zu verbessern. Denn wenn Betreuungspersonen «bis zu zehn Minuten» aufwenden müssen, um ein Kind zu suchen, sei die Betreuung der anderen Kinder nicht mehr gleich gewährleistet, so der Leiter.

🔎 Die vermeintliche Lösung: Kinder der 3. und 4. Klasse sollten ein Bluetooth-Armband tragen, damit das Betreuungspersonal jederzeit sieht, wo sich die Kindern aufhalten. Ausserdem würden sie aktiv informiert, wenn sich ein Kind unerlaubterweise vom Gelände entfernen sollte.

🔎 Die eigentliche Lösung ist die, dass genügend personelle Ressourcen für die Betreuung der Kinder zur Verfügung gestellt werden! Davon profitieren nicht nur die Kinder, sondern auch die Betreuungspersonen.

🔎 Für eine freie Gesellschaft ist generell wichtig, dass wir überschaubare Risiken akzeptieren statt uns digitale Fesseln anzulegen. Denn solche Fesseln reduzieren die Freiheit des Einzelnen, hier Kinder, und wägt uns in einer vermeintlichen Sicherheit. Deshalb:

🎯 Schulverantwortliche müssen sich bewusst sein, dass der Einsatz von Technologien kein Ersatz für fehlende Personalressourcen ist.

🎯 Lehrer:innen sollten sich auf ihre eigentliche Arbeit mit Kindern fokussieren dürfen statt immer mehr Kontrollfunktionen übernehmen zu müssen.

🎯 Eltern müssen lernen, ihre Kinder nicht ständig zu kontrollieren, sondern in eine vertrauensvolle Beziehung zu investieren. Denn die Kontrolle ist nicht zum Wohl ihrer Kinder, wie Fachpersonen regelmässig betonen, zum Beispiel Margrit Stamm:


«Eltern, die ihre Kinder dauerüberwachen, produzieren Kinder, die ängstlich werden, nicht selbstständig, nicht selbstsicher und nur auf die Eltern fokussiert sind. Denn die Eltern führen sie mit grosser Sorge durchs Leben.»

Magrit Stamm, Erziehungswissenschaftlerin und pädagogische Psychologin

Bei uns im Dorf sind z.B. «Elterntaxis» ein leidiges Thema. Es wäre so wichtig für Kinder, den Schulweg mit anderen zurücklegen zu können.

🏫 Das geplante Pilotprojekt in Birmensdorf wurde kurz vor dem Start auf Eis gelegt, zum Glück. Doch es zeigt, wie wichtig es ist, dass Annahmen kritisch hinterfragt werden und wir den «Tech-Solutionismus» entzaubern. Deshalb ist Tech-Solutionismus übrigens auch ein wichtiges Thema im CAS Digital Ethics an der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ).

Hinweis: Anlass für diesen Artikel bildeten dieser Artikel auf Inside-IT sowie die Berichterstattung auf SRF.

Bild: Ben Wicks / Unsplash