Ich bin tatsächlich deutlich optimistischer, was den Einflussvon KI auf die gymnasiale Bildung angeht. Natürlich müssen die neuen Möglichkeiten am richtigen Ort eingesetzt werden!
🔎 Am richtigen Ort einsetzen bedeutet für mich: Die Schüler:innen müssen Technologien wie künstliche Intelligenz verstehen (Konzeptwissen) und KI-Werkzeuge einsetzen können (Produktwissen). Das ist und bleibt eine wichtige Kompetenz, gerade weil sich einiges noch stark verändern dürfte.
🔎 Ich habe regelmässig mit Lehrpersonen und Pädagogischen Hochschulen zu tun und nehme da viel Herzblut für die Weiterentwicklung der Bildung wahr. Wie können wir junge Menschen noch besser da abholen, so sie sind? Wie können wir sie für die kritische Auseinandersetzung mit wichtigen Themen begeistern?
🔎 KI nur ein Mittel zum Zweck, kein Selbstzweck. Da gehe ich mit dem Autor des NZZ-Artikels einig. Entsprechend stark sind Schulen gefordert, denn KI hat einen Einfluss auf den Lehrplan, die Leistungsnachweise und die Arbeit der Lehrpersonen. Nicht nur im Gymnasium. Dabei ist die Komplexität dieser Transformation deutlich grösser als in einem Unternehmen. Und dies erst noch mit fehlenden Ressourcen, personell und finanziell.
📚 Im Artikel wird kritisiert, dass Maturandinnen und Maturanden die Leseliste mit Klassikern wie Faust I nicht mehr lesen, sondern sich Zusammenfassungen generieren lassen. Das ist doch ein Indiz dafür, dass Faust I vielleicht nicht mehr die richtige Lektüre ist? Oder dass das Prüfungsformat veraltet ist? KI ist nicht das Problem.
📚 Wer KI-Tools einsetzt, muss etwas davon verstehen und etwas für das Ergebnis tun. Dies zeigt der Fall des Zürcher Maturanden mit der Note 6 sehr gut. Er war offenbar generell ein sehr guter Schüler, denn KI-Tools funktionieren nur dann gut, wenn sie von einer kompetenten Person eingesetzt werden. (Wer diesen Fall nicht kennt: Ein Zürcher Maturand hat die mündliche Abschlussprüfung mit Bestnote bestanden, obwohl er die Bücher nicht gelesen hatte. Die Vorbereitung mit ChatGPT war ausgeklügelt und hat ihm gereicht.)
📚 Für den Autor ist es unredlich über Bücher zu sprechen, die man nicht gelesen hat. Er findet es unfair gegenüber anderen Mitstudierenden, die die Bücher gelesen haben. Natürlich versucht der Einzelne mit Blick auf eine Prüfung zu optimieren, aber das geht nicht auf die Kosten der anderen und jeder muss etwas leisten für seine Note.
🌎 Der Autor des NZZ-Artikels, Robin Schwarzenbach, hat Geschichte und deutsche Literatur studiert. Das könnte erklären, weshalb es ihm so wichtig ist, dass Klassiker wie z.B. Faust I gelesen werden («Kulturtechnik»).
🌎 Das ist der Kern des Artikels: Es geht ums Lesen! Maturand:innen müssen die Bücher auf der Leseliste lesen, so seine Überzeugung.
🙋♀️ Meine Überzeugung: Wir sollten alle Sinne ansprechen, also Hören, Riechen, Schmecken, Sehen und Tasten. Gerade hier haben neue Technologien viel zu bieten und machen Lust aufs Lernen. Und wir sollten die Inhalte kritisch hinterfragen. Vielleicht gibt es Alternativen, z.B. zu Faust I?
Hinweis: Auslöser für diesen Post ist ein Artikel in der heutigen NZZ mit dem Titel «Chat-GPT gefährdet die gymnasiale Bildung» von Robin Schwarzenbach. Mit dem Untertitel: Clevere Maturanden und KI-affine Lehrer huldigen einem zweifelhaften Technikkult. Stoffkonsum per Chatbot ist alles, Bücher lesen gilt als lästig. Das dürfen die Schulen nicht hinnehmen.
Übrigens: LCH, der Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer in der Schweiz, hat kürzlich ein Positionspapier publiziert. Er ist überzeugt, dass KI bereits zum Alltag der Schülerinnen und Schüler gehört und noch an Bedeutung gewinnen wird. Im Positionspapier werden die Chancen und Risiken von KI-Systemen für das Schweizer Bildungssystem sowie daraus abgeleitete Forderungen diskutiert.