Eine offene Stelle zu besetzen ist aufwendig. Verständlich ist deshalb der Wunsch, den Rekrutierungsprozess dank Big Data und Künstlicher Intelligenz zu vereinfachen.
Dabei reicht das Spektrum von strukturierten Analysen der Bewerbungsunterlagen über intelligente Suchmaschinen bis hin zur Charakterisierung der Kandidatinnen und Kandidaten, indem ihre Gesichter, ihre Mimik oder auch ihre Stimme analysiert werden. Doch viele dieser Produkte versprechen mehr, als sie halten können. Weshalb?
Vorhersagen sind mehr als fragwürdig
Die Analysen basieren auf Daten, deren Qualität oft fraglich ist. So musste Amazon sein Rekrutierungstool aus dem Verkehr ziehen, weil es Frauen systematisch benachteiligt hat, da die Daten auf Bewerbungsunterlagen von Männern basierten. In welcher Situation sind welche Kompetenzen nötig? Wie wird intern zusammengearbeitet? Jede Person bringt eine Vielzahl an persönlichen und fachlichen Kompetenzen mit, die sie unterschiedlich stark einbringen kann. Diese Dynamik lässt sich von einer Maschine nicht erfassen. Sie liefert nur Durchschnittswerte, abgeleitet aus den Daten einer grossen Anzahl Menschen und basierend auf der Vergangenheit. Daraus eine Vorhersage über die Erfolgschancen einer einzelnen Person für einen bestimmten Job abzuleiten, ist mehr als fragwürdig.
Personalentscheide werden noch wichtiger, weil im Zuge der Digitalisierung Kompetenzen wie kritisches Denken, Empathie, Kreativität und Veränderungsbereitschaft besonders gefragt sind. Deshalb bin ich überzeugt, dass Führungskräfte mehr Zeit in die Auswahl der besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter investieren müssen, nicht weniger. Teams sind ebenfalls geeignet, um den kulturellen Fit einer Person sowie die Gestaltungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz einzuschätzen. Während des Rekrutierungsprozesses lassen sich viele Fleissarbeiten automatisieren. So bleibt genügend Zeit für das, was den Erfolg eines Unternehmens wirklich ausmacht: Mitarbeitende mit vielfältigen Erfahrungen und Ideen zu gewinnen, die zur Unternehmenskultur und ins Team passen.
Hinweis: Für das renommierte Marktforschungsinstitut Gartner gehört Digitale Ethik zu den zehn Top-Themen von strategischer Bedeutung für Unternehmen. Mit meiner Kolumne im Fachmagazin Topsoft will ich diesen Megatrend für die Leserinnen und Leser erlebbar machen, indem ich aktuelle Aspekte von Digitaler Ethik beleuchte. Dieser Text ist am 25.6.2019 erschienen.
Bild: Tumisu / Pixabay (aus dem Fachmagazin Topsoft)