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Beginnt jetzt das grosse Zittern?

Die Angst, den Job zu verlieren, kann ich verstehen. Denn das Narrativ vom grossen Jobabbau – heute ist KI Schuld – ist omnipräsent. Und dies obwohl sich zum Beispiel eine umstrittene Prognose vor 10 Jahren als falsch erwiesen hat!

Der Artikel in der heutigen NZZ am Sonntag mit dem Titel «Jetzt beginnt das grosse Zittern» gibt diesem Narrativ eine Plattform. Was fehlt sind Informationen und Stimmen, die es anders sehen. Und davon gibt es sehr viele, denen ich mich anschliesse. Hier einige Gedanken, ausgehend vom Artikel:

🤖 Viele betonen die Bedeutung des Einsatzes von künstlicher Intelligenz (KI) für Wirtschaft und Gesellschaft. Auch ich gehe davon aus, dass KI immer stärker eine Basistechnologie sein wird.

🤖 Wird KI bereits im Jahr 2025 oder 2026 klüger sein als der intelligenteste Mensch? Diese Prognose von Elon Musk teile ich nicht, vielleicht auch deshalb, weil ich unter «Intelligenz» deutlich mehr verstehe als Mathematik und Statistik (und das ist KI faktisch).

👨🏼‍💻 Regelmässig werden Modelle publiziert, die zeigen sollen, dass ganz viele Jobs durch die Automatisierung wegfallen. Methodisch mehr oder weniger sauber wird jeweils berechnet, welche Tätigkeiten sich automatisieren lassen, ohne zu berücksichtigen, was zusätzlich entsteht.

📰 Erinnert ihr euch z.B. an die weltweiten Schlagzeilen zur Studie von Frey/Osborne 2013? Sie errechneten, dass bis zu 47% aller Tätigkeiten in den USA innerhalb von 10-20 Jahren durch eine Maschine übernommen werden könnten. Eine Adaption für die Schweiz kam zu einem ähnlichen Ergebnis. Passiert ist das bisher nicht.

📰 Als Beispiel für den Arbeitsplatzabbau im grossen Stil wird der Pakthersteller UPS im Artikel genannt. Wie plausibel findet ihr einen Abbau von 12’000 von insgesamt 85’000 Jobs im Management aufgrund von Effizienzgewinnen durch KI? Mich überzeugt das überhaupt nicht.

👨🏼‍💻 Mit KI lassen sich heute einfach ganz viele Managementfehler kommunikativ vertuschen. Den Investoren dürfte das gefallen. Die Beispiele sind zahlreich und reichen von grossen Techkonzernen bis zu Startups, die aufgrund der Goldgräberstimmung mit viel Risikokapital ausgestattet wurden. Nun platzt diese Blase.

👩🏻‍💻 Ja, die Digitalisierung verändert sehr viele Tätigkeiten und Berufe, das sehe ich auch so. Es betrifft Blue Collars und White Collars. Das ist keine neue Erkenntnis mit Blick auf die erwähnten Modelle, welche Tätigkeiten sich automatisieren lassen.

Meine Empfehlung?

🙋‍♀️ Ich rate allen und natürlich auch mir selber, in die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen zu investieren. Dazu gehört auch, aber nicht nur, sich aktiv mit KI auseinanderzusetzen. Dies führt zu einer realistischen Sicht, wie sich unsere Arbeits- und Lebenswelt verändert. Und wir gestalten mit statt uns von fragwürdigen Narrativen wie dem vermeintlich historischen Jobabbau Angst einflössen zu lassen.

🙋‍♀️ Und wer sich eine Podcast-Episode zum Thema KI und Veränderung der Arbeitswelt anhören mag: Beim Podcast DIETHELM & GENNER haben wir uns auch schon mit der Frage «Künstliche Intelligenz: Stiehlt sie uns Jobs?» auseinandergesetzt.

Hinweis: Der Artikel «Jetzt beginnt das grosse Zittern» in der NZZ am Sonntag hat mich spontan zu diesem Artikel bzw. zu einem Post auf LinkedIn motiviert. Zahlreiche Personen sehen es auch so, wie ihre Kommentare auf diesen Post auf LinkedIn zeigen.

Foto: Screenshot aus dem Artikel